Gregor Wilbers im Interview

Frage: Das Thema Burnout ist in den Medien – nicht zuletzt durch Bücher wie das der prominenten Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel – sehr präsent. Woran liegt es, dass so viele Menschen im Arbeitsleben über ihre Grenzen hinausgehen?

Gregor Wilbers: Der Wahnsinn unserer Arbeitswelt ist, dass wir meinen, nur durch verstandesmäßiges Streben, Tun, Handeln und Denken die Kontrolle über unser Leben behalten zu können. Genau das Gegenteil ist jedoch oft der Fall: durch verstandesmäßiges Tun entstehen noch mehr Aufgaben, durch verstandesmäßiges Handeln entsteht noch mehr Handlungsbedarf, durch Denken entsteht noch mehr Gedankensalat, durch Kontrolle entsteht noch mehr Kontrollbedarf usw. Insofern ist es nur eine Frage der Zeit, bis uns das Leben entgleitet, wir krank werden oder nicht mehr leistungsfähig sind bis hin zum Burnout. Dazu kommt, dass Leistung im Arbeitsleben oft so lange ausgenutzt wird, bis sie nicht mehr zur Verfügung steht – schließlich quillt der Arbeitsmarkt von qualifizierten Kräften in vielen Bereichen über.

Frage: Betrachten wir das Thema Burnout in einem größeren Kontext: Was müsste sich in unserer Gesellschaft ändern, um gesündere Arbeitsbedingungen zu schaffen?

Gregor Wilbers: Der Arbeitsmarkt hat längst begonnen, sich aufzulösen und wird es auch weiterhin tun. Vielleicht kann nichts Besseres passieren, weil jeder Einzelne auch dadurch aufgerufen ist, das zu tun, wozu er berufen und wirklich bereit ist, es zu wagen. Womöglich ist es jetzt an der Zeit, nicht nur unserem Verstand, sondern noch mehr unserer Intuition zu folgen und die Angst abzulegen, eine vermeintliche Sicherheit zu verlieren, die aber nicht vorhanden ist. Viele kennen die Erfahrung, dass gerade in schwierigen und unbekannten Situationen eine Lösung entsteht, die wir nicht selbst herbeiführen, sondern auf die wir vertrauen können. Dieses besondere Grundvertrauen ist eine Entscheidung, sich gut im Leben aufgehoben zu fühlen, die wir selbst treffen können. Wir fühlen uns nicht im Leben gut aufgehoben, weil es gut läuft, sondern es läuft gut, wenn wir uns dafür entscheiden, dem Leben zu vertrauen.

Frage: Stress lässt sich im Job mitunter nicht vermeiden – die Grenze zwischen natürlichem Stress und Überforderung, die schließlich im Burnout gipfelt, scheint fließend. Wie bekomme ich den Punkt mit, an dem eine Situation kippt und ich die Kontrolle verliere?

Gregor Wilbers: Stress und Burnout ist auch eine manchmal unbewusste Entscheidung, alles mit dem Verstand zu regeln, gut sein zu müssen und dafür zu sorgen, dass nichts schief geht – also die Kontrolle zu behalten. Wenn ich das tue, was gerade jetzt im Moment wirklich ansteht, und mich innerlich dazu entscheide, auf das zu vertrauen, was kommt, was es auch sei, dann kann Intuition entstehen – und ich kann meine Kontrolle innerlich abgeben. Dort kann der sogenannte Flow entstehen, bei dem wir das Gefühl haben, das alles aus uns heraus fließt und wir uns dabei “zusehen”, was wir gerade tun.

Frage: Was kann ich konkret im Berufsalltag tun, um mit einer stressigen Situation umzugehen?

Gregor Wilbers: Der erste Schritt ist, sie bewusst zu erkennen, also aus der Vogelperspektive uns und die Situation zu beobachten, ohne sie als gut, schlecht oder notwendig zu bewerten – sie ist einfach da.
Als Nächstes nehmen wir die stressige Situation ganz an, wie sie ist, weil sie da ist und wir sie nicht vermeiden können – das ist nämlich sonst der Beginn von Stress. Dazu gehört auch, dass wir annehmen, im Augenblick keine Lösung zu haben. Wir geben innerlich Kontrolle ab, auch wenn wir das äußerlich nicht zeigen. Wir befreien uns vom inneren Druck der Verantwortung, die wir äußerlich natürlich haben. Dafür vertrauen wir darauf, dass wir intuitiv das Richtige tun werden und lassen zu, dass in uns eine Lösung entsteht. Das ist für mich der Beginn von Innerer Führung. Wir leben nicht mehr aus der Vergangenheit des Leistens und Ausbrennens, sondern aus der Zukunft des Empfangens.

Frage: Wie können sie einen gestressten Manager, der sich fragt, weshalb er neben seinen zahlreichen Verpflichtungen nun auch noch meditieren soll, für die Meditation begeistern?

Gregor Wilbers: Etwas Nachhaltiges kann sich aus der meditativen Präsenz heraus ändern, d.h. wenn Körper, Geist und Seele eine Einheit bilden. Ich brauche die Lösung nicht zu suchen, sondern kann sie erkennen, wenn ich ganz bei mir bin: In der Meditation erfahre ich den nächsten Schritt. Das Leben läuft uns ständig hinterher, anstatt dass wir uns öffnen und Klarheit erfahren, wozu uns die Meditation verhilft.

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